2. März 2017 in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam: Für die meisten von uns war es wohl der erste Marathon überhaupt: Auf dem Programm stand eine bibliophile Reise durch die Jahrhunderte mit Ausschnitten aus Romanen und Schriften von Umberto Eco anlässlich seines ersten Todestages. Nach zwei Stunden Zuhörens fühlten sich die Teilnehmenden jedoch keineswegs erschöpft, sondern vielmehr angeregt, den gelegten Spuren doch weiter zu folgen. Der Bücherstand von Carsten Wist gab in der Pause reichlich Gelegenheit, in den Werken zu stöbern oder diese zum Nachlesen zu erwerben (Eco hat es auf insgesamt sieben recht unterschiedliche Romane und eine Vielzahl weiterer Schriften gebracht).

„È morto l’uomo che sapeva tutto“: „Er ist tot, der Mann, der alles wusste”. So titelte die Zeitung La Repubblica, um den Tod des 84-jährigen Umberto Eco am 19. Februar 2016 bekanntzugeben. Eben dieser Eindruck stellte sich durch die hervorragende Auswahl vielseitiger und sehr unterschiedlicher Texte auch bei uns ein: So zum Beispiel über seine Leidenschaft für Bücher und Bibliotheken, die Lust an der Systematisierung von Wissen, die Fähigkeit zur Vermittlung und historischen Auflistung; die Neugierde für das Entstehen von Komplott-Theorien und höchst aktuell die Kritik an den Massenmedien.

Bernd Malzanini, Vorsitzender des Freundeskreises Potsdam-Perugia e.V., führte souverän und fürsorglich durch all die Streckenabschnitte dieses Marathons (schließlich gab es neben höchst Amüsantem auch einiges „Bedeutungsschweres“ zu meistern) und bedankte sich bei all denen, die die Veranstaltung ermöglicht haben: Bei der Vereinigung deutsch-italienischer Kulturgesellschaften  für die Initiierung, der Literaturwissenschaftlerin Frau Dr. Paola Barbon für die Auswahl der Texte, bei den Verlagen, die die Literatur zur Verfügung stellten, den Mitarbeitern der Stadt- und Landesbibliothek, die uns bei der Veranstaltung tatkräftig unterstützen, bei den Vorleserinnen und Vorlesern sowie den Mitgliedern des Freundeskreises Potsdam-Perugia, die die Veranstaltung organisierten und betreuten.

Die acht Vorleser kommen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen: Sie sind u.a. Schüler, Studenten, Lehrer, Dozenten, Schauspieler, Literaturhändler: Karen Schneeweiß-Voigt, Carsten Wist, Liza Furter, Leonie und Marius Walter, Mathias Iffert, Salvatore Orefice und Jutta Wachowiak.

Alle waren schnell zu begeistern für die Idee, diesen Lesemarathon durch ihren – honorarfreien – Beitrag überhaupt zu ermöglichen.

 

Nun zum Streckenprofil des Marathons

Gelesen wurde aus seinem wohl bekanntesten Werk „Der Name der Rose“ (erschienen 1980). Der Roman nennt als Datum der Fertigstellung des Manuskripts den 5. Januar 1980, der 48. Geburtstag des Autors. Ein Alter, in dem andere Männer und Familienväter daran denken, mit einer brasilianischen Tänzerin durchzubrennen, wie er einmal in einem Interview sagte. Die für ihn neue Herausforderung, einen Roman zu schreiben, basierte auf seiner langen Vertrautheit mit der Welt des Mittelalters. Im zweiten Teil des Abends wurde noch aus einer „Nachschrift zum Namen der Rose“  (erschienen 1983) gelesen,  denn die große Aufmerksamkeit, die der Erfolg nach sich zog (u.a. erhielt der Roman den vielleicht wichtigsten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega), führte zu einer Flut von Interviews.

Des Weiteren wurde zu Gehör gebracht, „Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge“. Hierbei geht es um recht ungewöhnliche Anweisungen, die die Vorlieben und Abneigungen des Autors spiegeln und den Alltag satirisch beleuchten. Es handelt sich um kurze Essays, Glossen und feuilletonistische Schriften, auch „Streichholzbriefchen“, die Eco seit 1982 für seine Kolumne in der Wochenschrift L’Espresso regelmäßig verfasste.

Es folgten zwei Auszüge aus einem Schelmenroman („Baudolino“, erschienen 2000), vorgetragen in klangvollem Italienisch, für alle zum Mitlesen in deutscher Übersetzung. Baudolino – ein eingefleischter Lügner, dessen Abenteuer den Leser wiederum durch die Imagination und die Wirklichkeit der damaligen Welt des Mittelalters  führen.

Für musikalische Untermalung in einer Pause sorgte unser Vereinsmitglied Karen Sokoll am Klavier. Nach kurzer Erfrischung ging es in die Zielgerade. Einen weiteren amüsanten Beitrag Ecos aus den Streichholzbriefchen lieferte der Vortrag „Wie man eine öffentliche Bibliothek organisiert“. Hoffentlich nehmen die anwesenden Mitarbeiter der SLB dieses amüsante Horrorszenario nicht als Anregung zur Abschreckung ihrer Leserschaft!

Die folgende Geschichte „Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana“ (erschienen 2004) kreiste um einen Helden, der sein Gedächtnis verloren hat und versuchen muss, es über Gegenstände, Bücher und Zeitschriften, Bruchstücke seiner Kindheit und Jugend zu rekonstruieren und wiederzubeleben.

„So gelehrt! Und so vergnüglich!“ – Unter dieser Schlagzeile stand einer der besten Nachrufe auf Umberto Eco, „… auf einen Intellektuellen, der uns und sich selbst gerne unterhielt“. So zu lesen in der Wiener Tageszeitung Die Presse. In diesem Sinne sollte der letzte Abschnitt der Textauswahl ein Schlusswort und zugleich eine Aufforderung darstellen, weiterzumachen, zu lesen, zu denken und an sich und der Welt produktiv zu zweifeln, so Bernd Malzanini.

Es ging um einen Text aus „Pape Satàn. Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, diese Welt zu verstehen“ (erschienen 2016). Das ist die letzte Zusammenstellung von kurzen Essays und „Streichholzbriefchen“, deren italienische Ausgabe am Tag vor Ecos Tod vorlag und an der er bis zuletzt gearbeitet hat. Es wurden zwei Stücke daraus vorgestellt: „Die Hohlköpfe und die verantwortliche Presse“ sowie „Sind wir alle verrückt?“.

Allen Verantwortlichen und Beteiligten sei herzlich gedankt für dieses schöne Erlebnis und das gute Gefühl, bei diesem Marathon dabei gewesen zu sein!

Als Mitglied des Freundeskreises

Kathrin Remer

P.S. Mehr Fotos von der Veranstaltung gibt es bei Facebook!

Ein Lesemarathon zu Umberto Eco, veranstaltet vom Freundeskreis Potsdam-Perugia e.V.
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