Christian Ballhaus, Schauspieler und Mitglied unseres Freundeskreises Potsdam-Perugia, stellte uns am 25. November 2016 eine Auswahl von Texten aus Goethes Werk „Italiänische Reise“ vor.

Der fast 40jährige Dichter befand sich nach seinem „Salto mortale“, wie er es selbst nannte, offensichtlich in einer Lebens- und Sinnkrise. So scheint diese fast zweijährige Reise für seinen Heilungs- und Schaffensprozess lebensnotwendig geworden zu sein. Es entsteht ein Bild, wie sehr Goethe sich nach diesen Eindrücken und Erfahrungen sehnte, um sie mit dem abzugleichen, was er seit seiner Kindheit kannte, lange im Geist vorbereitet hatte und anzutreffen erhoffte. Während der Reise fand er manches bestätigt, hatte vieles „herauszuklauben“, um „die Spuren alter Herrlichkeit“ aufzufinden: „Was die Barbaren stehenließen, haben die Baumeister des neuen Rom verwüstet“. Das kommt uns doch sehr  bekannt vor…

Goethe gelang es, lange anonym zu reisen. So konnte er sich als Beobachter und Akteur in den Alltag hineinbegeben: In den einfachen Wirtshäusern, mal feiernd, mal schreibend, oder auch bei Mondschein in einer venezianischen Gondel mit 2 Sängern, die ihn mit Liedern zu Tasso – Texten verzauberten. Als er sich jedoch auf der Weiterreise einem Bekannten aus Frankfurter Zeiten offenbarte, meinte dieser mit Erstaunen nur: „Da muss sich viel verändert haben“. Er hatte Goethe als jungen Mann, den Verfasser des „Werther“, damals kennengelernt.  Auf dieser Reise beendete Goethe die „Iphigenie“, und er „… habe dabei mehr gelernt als getan!“. Ihm war immer im Bewusstsein, dass es wohl noch besser gelingen könnte, doch habe er „nach Zeit und Umständen das möglichste getan!“. So wollte er es auch mit dem „Tasso“ halten.

Dieser Eindruck bestätigt sich immer wieder: Wie eng sein Schaffenswerk doch mit ständiger Verarbeitung von Erlebnissen, sinnlichen Empfindungen und einer großen Neugier und Offenheit für alles um ihn herum einherging. So gewann er in Rom den Eindruck: „Ich mag nun sterben oder noch eine Weile dauern, in beiden Fällen war es gut!“. Der Besuch Neapels hat ihn dann zu ganz neuen Lobeshymnen inspiriert … und erst Sizilien… Doch dafür war unser Leseabend leider zu kurz! Man kann wohl mit großer Sicherheit annehmen, dass dieser Mann nicht so bald empfunden hätte: „Jetzt habe ich alles im Kasten“.

Mit seiner Textauswahl und dem Vortrag, musikalisch untermalt von Leo Klepper auf der Viola,  gelang es Christian Ballhaus wunderbar, uns ein wenig in die Zeit und Umstände von Goethes Reise mitzunehmen und dieses Reisefieber auch in uns zu beleben. Nach dieser Lesung meinten wir Zuhörer begeistert: Wir möchten diese literarische Reise gern weiter begleiten!

Text: Kathrin Remer

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Christian Ballhaus
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Leo Klepper
Goethe endlich in Italien!
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