4. Oktober 2022 (Dienstag)
Das Wetter in Perugia war nicht nur an diesem Tag, sondern die gesamte Zeit über immer schön. Regen hatte ich nie erlebt, wohl ein paar Mal einige Wolken. Von daher war dieser Aufenthalt schon ein voller Genuss.
Wenn man den Palazzo Gallenga verlässt, fällt einem zur rechten Hand ein riesiges altes Tor auf, die Porta Etrusca. Sie ist flankiert von 2 quadratischen Türmen und ist Teil der etruskischen Mauer. Der Torbogen enthält die Inschrift „Augustus Perusia“. Das rührt daher, dass Augustus 40 v.Chr. Perugia unterwarf und sich hier verewigte. Die Hauptstraße führte früher durch dieses Tor durch die Stadt und endete an der Porta Marzia, die heute ein Tor auf der Ostseite der Rocca ist (siehe später).
Bei meinem ersten Spaziergang wendete ich mich gleich links um den Palazzo Gallenga nach Westen Richtung Porta Sant´Angelo. Ich bewegte mich dabei auf einer horizontalen Straße, an 2 Kirchen und der Universität vorbei und kam zu einer dritten kleinen Kirche, in der ein Webereimuseum untergebracht war. Leider war es nur von 9-13 offen, wo ich ja meinen Unterricht hatte. Ich ging von dort einen sehr steilen Weg nach oben, kam an eine Straße, die bald die Porta Sant´Angelo erreichte. Die Porta Sant´Angelo ist Teil der fast komplett erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer. Beeindruckend sind die dicken Mauern, der schöne helle Stein und die Massivität des Tores selbst. Es ist das größte mittelalterliche Stadttor Italiens. Außerhalb der Mauer kam dann gleich Natur und etwas weiter weg gab es wieder Häuser. Ich ging noch rechts der Mauer außen entlang und konnte die riesige Mauer über die fast gesamte Länge am Nordende der Stadt sehen. Sie ist an vielen Stellen mehr als 20 m hoch. An dem Abhang unterhalb der Mauer ist eine Parkanlage mit Wanderweg und einer Straße.
Innerhalb der Stadtmauer ging ich noch etwas weiter hoch zur Chiesa San Michele Arcangelo aus dem 6. Jahrhundert n.Chr. Sie war rund angelegt und zeigte äußerlich Mauerteile aus mehreren Epochen. Der Innenraum war von unterschiedlichen antiken Säulen dominiert. In der Mitte befand sich ein großer einfacher Altar (neueren Datums). Der Vorgängerbau soll ein runder antiker Tempel gewesen sein. Auf dem Platz vor der Kirche war eine Rasenfläche, die zum Picknick, Ausruhen oder Feiern einlud. Zurück zum Palazzo Gallenga ging ich durch eine enge mittelalterliche Straße, mit vielen Seitengässchen und vielen kleinen Geschäften – auch ein schöner Spaziergang. Links waren die Häuser bis an die mittelalterliche Mauer und teilweise auch darauf gebaut.
5. Oktober 2022 (Mittwoch)
Heute hatte ich bei meinem Gang vom Palazzo Gallenga nicht den Weg durch Porta Etrusca, sondern die Straße rechts um den Palazzo Gallenga gewählt. Diese Straße führt entlang der etruskischen Mauer, zum Teil oben ergänzt durch einen mittelalterlichen Aufbau und darüber mittelalterlichen Häusern, in einem eleganten Doppelbogen zuerst zur Piazza Morlacchi. Der Reiz dieses Weges bestand darin, dass man auf der linken Seite diese herrliche Mauer bewundern konnte und auf der rechten Seite einen freien Blick auf einen alten Teil von Perugia hatte. Auffallend war auch der Blick auf einen schnurgeraden Weg auf einer Mauer quer durch einen Geländesenke. Wie ich erst später lernte, war hier eine Wasserleitung. Morlacchi war Komponist, von dem ich zufällig ein Jahr zuvor ein Flötenkonzert im Radio gehört hatte und mir die Noten dazu gekauft hatte. Nach ihm ist das Conservatorium und das Theater von Perugia benannt. Die Identität des Theaters war mir nicht sofort klar. Ich konnte es heute nicht besichtigen, weil gerade eine Veranstaltung darin stattfand. Stattdessen erfuhr ich, dass am 21.10.2022 ein Kammerkonzert stattfinden würde, das ich natürlich unbedingt erleben wollte. Mehr darüber 21. Oktober. An der Piazza Morlacchi gab es auffallend viele kleine Restaurants mit vielen jungen Leuten davor. Von dort gelangte man halb links weiter sehr steil nach oben, durch 3 riesige mittelalterliche Torbögen, zur Fontana Maggiore am Corso Vannucci. Als ich dort einmal zu Mittag aß, kam ich mit einem mittelalterlichen Mann ins Gespräch. So nebenbei erzählte er mir, dass er eine Orchidee aus Südamerika züchte, die einen umgekehrten Geotropismus zeigt, als mit den Blättern und der Blüte nach unten und mit den Wurzeln nach oben wächst. Das würde sicher auch Herrn Kollegen Ohmann aus Halle interessieren, der solch einen Fall in einem Höhleneingang bei Neapel für einen Nadelbaum beobachtet hatte.
Die Piazza IV Novembre (Italiens Nationalfeiertag der nationalen Einheit und der Streitkräfte bzw. Tag des Waffenstillstands am Ende des 1. Weltkriegs) ist für mich der beeindruckendste Platz in Perugia. Dort ist der riesige und beeindruckende Brunnen, die Fontana maggiore, in der Mitte. Nach Westen hin ist die Kathedrale, nach Süden hin der Palazzo die Priori und der Beginn des Corso Vannucci zur Piazza Italia am anderen Ende. Hier befinden sich die großen Geschäfte und Restaurants für die Touristen.
Heute besuchte ich die Kathedrale, im Prinzip eine große dreischiffige Hallenkirche, aber innen üppig ausgeschmückt, mit schönen farbigen Fenstern. Zur Cattedrale San Lorenzo gehören noch ein Kapitel- und ein Seminargebäude. Dort befindet sich auch das Museo Capitolare mit dem Zugang zu Perugia sottoterranea (s.u.). Ich wagte auch einen Blick in die Sala dei Priori (Versammlungssaal der Ältesten), mit einem Rundgewölbe aus Holz, reich bemalt und modern bestuhlt. Zurück nach Hause fuhr ich mit der MiniMetro. Interessant der Wechsel der Kabinen der MiniMetro. Die Kabinen, die oben ankommen, halten nach der Station Pincetto auf einem drehbaren Doppelgleis, das sich mit einer Kabine um 180o dreht, um dann wieder zur Haltestelle zurück- und anschließend den Berg hinunterzufahren.
6. Oktober 2022 (Donnerstag)
An diesem Tag ging ich durch die Porta Etrusca zur Stadt hoch und fand dort ein dort gleich ein kleines Restaurant, wo ich mehrere Male eine ausgezeichnete Pasta zum Mittagessen zu mir nahm. Ich konnte an einem schmalen Tisch im Freien in der ohnehin schmalen Straße sitzen und das Leben der Leute etwas studieren. Gegenüber war einmal eine Synagoge.
Mein Spaziergang führte mich heute in das Viertel San Antonio, benannt nach einer dortigen Kirche. Ich ging erst außen entlang der mittelalterlichen Mauer bis zur Porta San Antonio. Das ist eine ganz ruhige Gegend mit viel Grün. Durch dieses Tor kamen am 11. September 1860 die Aufständigen in die Stadt, als Italien vereint und gegründet wurde. Natürlich gab es hier Gedenktafeln. Auf der Innenseite der Mauer fühlte ich mich wirklich ins Mittelalter versetzt. Alte Häuser, verwinkelte Gässchen, die Kirche Sant´Antonio Abate mit Kreuzgang (leider geschlossen), keine Touristen. Eine der größeren Straßen hieß auch Via Bersaglieri (Straße der Jäger). Das gesamte Quartier Sant´Antonio wird aber von der Via del Pasticcio durchzogen, mit vielen schönen Ecken und Geschäften, aber wirklich keine Prachtsstrasse, sondern relativ eng und mit viel Verkehr. An einer Stelle war eine alte Zder sehr imposant anzusehen.
Auf dem Rückweg kam ich an die Porta Ermano. Auf der weiteren Route gab es viele verwinkelte Gässchen, bis ich zur Piazza Raffaello gelangte. Das ist bereits in der Nähe der Kathedrale. Das war wieder ein kleiner Platz mit wunderbarer Aussicht ins Land. In der dortigen Capella San Severo gab es ein Fresco von Raffaello. Wir waren etwa 10 Personen, um dieses Meisterwerk der italienischen Renaissance in aller Ruhe zu genießen. Weiter ging es zur Piazza Piccinino und schließlich zur Piazza Danti. Dieser Spaziergang war nicht sehr spektakulär, aber eben auch ein schöner und interessanter Eindruck von Perugia.
Oben an der Kathedrale angelangt besichtigte ich noch den Pozzo Etrusco, das ist ein etruskischer Brunnen aus dem 3. Jh. v.Chr. Er ist 37 m tief und hatte früher die Stadt mit Wasser versorgt. Beeindruckend sind die großen Steinblöcke, die den oberen Raum des Brunnens abdecken.
Auf dem Heimweg kaufte ich noch ein paar Postkarten wie an einem Tag zuvor. Die Verkäuferin machte mich dieses Mal darauf aufmerksam, dass die Karten nur in einen bestimmten Briefkasten mit oranger Farbe eingeworfen werden dürften, nicht in die roten Briefkästen der Post. Da geriet ich in Panik, denn am Morgen hatte ich 8 Postkarten mit derselben Frankierung in die roten Briefkästen der Post eingeworfen. Die hiesigen Briefmarken waren aber für eine andere Firma. Dies hatte sie mir beim ersten Einkauf nicht gesagt. Sie konnte mir auch nicht sagen, was mit den bereits eingeworfenen Karten passieren würde. Ich ging also am nächsten Morgen zur Post. Die italienische Post ist noch schlimmer als die deutsche Post früher. Warten, Ziehen einer Nummer, Warten. An den 15 Schaltern arbeiteten vielleicht 5 Leute, aber manche verschwanden und andere kamen, alles ganz gemütlich. An meinem Schalter war ein Afrikaner. Er musste 1000 Fragen beantworten und Dokumente vorlegen, nur um ein Paket in Empfang zu nehmen, mindestens 20 min! Als ich schließlich an der Reihe war und mein Anliegen vortrug, kontaktierte sie 2 Kollegen. Am Ende bekam ich nur gesagt, dass sie es nicht wisse und vielleicht…Tutto va bene! Mit Wut im Bauch, aber mit einer leisen Hoffnung zog ich von dannen. Die korrekt eingeworfenen Karten kamen nach 6 Wochen in Berlin an, die anderen erst kurz vor Weihnachten. Die Frau bei Edeka in Berlin, die auch die Post macht, verkauft nebenbei noch Blumen! Sie macht wirklich eine vorbildliche Arbeit.
Nach Hause marschierte ich an der Nordseite unterhalb der mittelalterlichen Mauer, auf die heute in drei Bauphasen weitere Gebäude errichtet wurden zur MiniMero Station Pincetto. Das war ein langer Tag, aber sehr befriedigend. Zu Hause kochte ich mir Kartoffeln und Ratatouille. Ein normales Essen für 2 Tage.
7. Oktober 2022 (Freitag)
Da hatte ich schon mehrfach einen schnurgeraden Weg unterhalb der Straße vom Palazzo Gallenga zur Piazza Morlacchi gesehen hatte. Heute wollte ich einmal diesen Weg ablaufen. Wie sich am anderen Ende des Weges herausstellte, war dies die Trasse einer alten mittelalterlichen Wasserleitung. Ich bekam den Einstieg oben am Berg kurz vor der Piazza Morlacchi. Auf der anderen Seite des Tales kam die Auflösung des Rätsels. Via Aquadotto. Das war also die Trasse eines mittelalterlichen Aquädukts. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Druckleitung, denn in der Mitte dieses Wegs war die tiefste Stelle. Wie ich nachträglich im Internet fand, gab es zwischen 1200 und 1250 eine große Trockenheit in Perugia und man entschloss sich zum Bau dieses Aquädukts. Damals war aber das Wissen der Römer bereits vergessen und man musste das Ei des Kolumbus neu erfinden. Wie bereits oben erwähnt, war es eine Druckleitung aus Blei, die wohl von der Fontana Maggiore aus 4 km weit ging. Da es eine der ersten mittelalterlichen Wasserleitungen in Italien ist, ist sie heute überhaupt erwähnenswert. Bei der Querung konnte ich feststellen, dass diverse Häuser an diese Trasse angebaut wurden und einige heute oben einen zweiten Ausgang dorthin haben, während die reguläre Straße mit dem Haupteingang vielleicht 6 m darunter liegt. Am anderen Ende, nach etwa 800 m, endete heute dieser Teil des Aquädukts. Ich suchte mir dort etwas zu essen und sah eine kleine Bar/Bäckerei. Ich bestellte ein Panini mit Käse und Schinken. Noch nie hatte ich einen so toll schmeckenden Schinken genossen wie in dieser Bar/Bächerei. Zurück nahm ich den Weg unten und entdeckte viele schöne Stellen.
Zurück zur Fontana Maggiore besichtigte ich das Museo del Capitolo (Dommuseum). Im Innenhof war gerade eine Veranstaltung zu Ende gegangen und ich getraute mich kaum, den Ort zu betreten. Zuerst besichtigte ich bei freiem Eintritt (60 % Schwerbehinderung) die dortigen Gemälde und Preziosen, worunter schon einige tolle Beispiele waren. Anschließend stieg ich eine Holztreppe im alten Kapitelgebäude ca. fünf Etagen hinunter zum alten Kreuzgang. Jede Etage hatte ihren eigenen Umlauf auf der Innenseite an 3 Seiten. Unten befand sich, damals mir noch unbekannt, der verschlossene Eingang zu Perugia sottoterranea (s.u.)
8. Oktober 2022 (Samstag)
An diesem Tag machte ich eine Reise nach Spello und Foligno. Für die Reise nahm ich den Zug und war überrascht, wie viele Stationen es mit dem Bummelzug bis Spello gibt (45 Minuten). Ich hatte Spello bereits einmal vor vier Jahren mit Brigitte besucht, aber nur zum Abendessen in einem vornehmen Restaurant in einem mittelalterlichen Keller. Aber von der Stadt hatte ich bis auf die Mauer noch nichts gesehen. Der Bahnhof liegt vielleicht 20 Minuten zu Fuß außerhalb der Stadt. Überraschend ist ein alter Familienturm aus dem Mittelalter, auf dessen Plattform oben richtig große Bäume wachsen. Spello ist eine Touristenattraktion, weil es eine komplette mittelalterliche Stadtmauer besitzt und die Innenstadt weitgehend erhalten ist. Außerdem bemühen sich die Bewohner der Stadt, ihre Häuser und Straßen mit Blumen zu schmücken. Von daher ist es verständlich, dass es im unteren Teil viel Rummel gibt. Die vielen kleinen Geschäfte sind wirklich ein Eldorado zum Shoppen. Ich sah wunderbare Steingutschalen, Webprodukte, Mode- und Schmuckgegenstände, dazwischen jede Menge kleiner Restaurants, alle übervoll. Die Stadt zieht sich weit den Berg hinauf. Je weiter man nach oben kommt, desto weniger Leute waren da. Ganz oben war ein Kapuzinerkloster, von wo aus man einen sehr schönen Blick auf das Tal hatte. Das Kloster und die dazugehörige Kirche waren nicht zugänglich. Auf dem Weg nach oben kam ich an zwei Kirchen vorbei. Die eine war zur Besichtigung offen und ein Herr vor einem Tisch nötigte nicht nur mich, sondern auch alle anderen, Eintritt zu bezahlen und die Kirche zu besichtigen. Ich fiel auch auf diesen Trick hinein, denn das Innere der Kirche war nicht den Eintritt wert. Als ich die zweite, etwas repräsentativere Kirche betrat, war ich wirklich überrascht, als alle Leute, die Männer ganz in schwarzem Anzug und die Frauen in großer Robe, mich anblickten. Sie erwarteten wohl das zu trauende Paar und am Ende stand da nur ein nachlässig gekleideter Tourist. Auf dem Rückweg konnte ich dann die gesamte Gesellschaft vor der Kirche bewundern. Tiefstes Mittelalter, für die Neuzeit aufgefrischt, dachte ich bei mir. Unten, vor der Stadtmauer, wo es nicht so voll war, genoss ich eine kleine Brotzeit (Panini) und wollte dann das Museum mit Mosaiken eines römischen Hauses besichtigen. Leider war es geschlossen, aber die Mosaiken waren durch die Fenster dennoch ganz gut zu sehen.
Ich fuhr noch mit dem nächsten Zug 5 min weiter nach Foligno. Foligno ist ja die Endstation der Bahn von Florenz über Perugia und Assisi. Aber es gibt in Perugia auch Züge, die von und nach Wien und von und nach Turin fahren. Foligno ist ebenfalls eine Stadt mit kompletter Stadtmauer. Sie lieg aber nicht am Berge, sondern in der Ebene. Entlang der Stadtmauer gibt es außerhalb der Altstadt wunderbare Villen, die vielleicht 100-200 Jahre alt waren. Durch ein Tor gelangte ich ins Zentrum. Dort gab es zwar viele alte Häuser, aber auch eine ganze Reihe von Neubauten. Interessant war das Zentrum mit einem gewaltigen Rathaus und einer großen mittelalterlichen Kirche. Aber diese Stadt wirkte wie ausgestorben. Keine Leute, keine Geschäfte offen, einfach tot. Ich ging zu einem Tor im älteren Teil der Stadt. Hier fand in einer Kirche eine Hochzeit statt, bei der am Ende der Zeremonie wirklich ausgelassen gefeiert wurde. Anschließend suchte ich dort noch nach Busstationen für die Busse nach Bevanda und Montefalco, zwei etruskische Dörfer, konnte sie aber nicht finden. In beiden Städten/Dörfern musste im Mittelalter einmal Friedrich II. gewesen sein. Montefalco hieß früher anders, benannte sich aber um, um an die Falknerei von Friedrich II zu erinnern.
9. Oktober 2022 (Sonntag)
Diesen Tag verbrachte ich ganz in Perugia. Zuerst ging ich den Corso Vannucci vom einen zum andren Ende. Am Südende, der Piazza Italia, hatte man einen herrlichen Blick ins Tal. Kurz davor war ein größerer, aber gut gepflegter (sehr selten) Park mit Brunnen und einigen Bänken. Ringsherum standen alte Paläste, 3-4stöckig. Vor allem ein Hotel an der nördlichen Seite mit seiner tollen Fassade hatte es mir angetan.
Zurück zur Station Pincetto ging ich in Richtung Corso Cavour, einer sehr langen Straße Richtung SSO. Zuvor führte mein Weg durch eine engere Gasse steil nach unten durch die Porta di Sant´Ercolano, wo ich mir in einem kleinen Café Kuchen und Tee bei einer Pause zugestand. Gleich hinter der Porta ist die Chiesa di Sant´Ercolano, eine größere mittelalterliche Kirche, aber geschlossen. In der Verlängerung ging es dann bei den Tre Archi (dahinter größerer freie Platz mit vielen Palazzi) in den Corso Cavour. Er ist mäßig breit und eher lokal als touristisch einzustufen. Aber es gäbe da schon einige interessante Dinge zu erwähnen, wenn an diesem Tag nicht Sonntag gewesen wäre. Denn die Kirche Chiesa di San Domenico beeindruckte schon durch ihre schiere Größe. Im ehemaligen Convent der Kirche ist das Museo archeologico nationale di Umbria (ManU) untergebracht (geschlossen). Weiter folgten ein ehemaliges Hospital und zwei weitere alte Kirchen, bevor man zur Porta San Pietro gelangt. Unterwegs hatte ich in einem kleinen, aber sehr freundlichen Restaurant an einem Straßentisch eine Pause für das Mittagessen eingelegt.
Weiter geradeaus auf der jetzt Borgo XX Giugno genannten Straße kommt man zur Chiesa San Pietro, wohl eine der reichst verzierten alten Kirchen von Perugia. Ihre Bedeutung wird schon durch die vielen Parkplätze davor begründet. Vor dem Eingang zur Kirche gibt es zwei größere Innenhöfe. Gleich links sah ich ein Ausstellungsschild über japanische Kunst. Das musste ich natürlich sofort besichtigen. Es war eine kleinere Ausstellung in 1. OG, die nicht als spektakulär einzustufen war, aber sie war kompetent eingerichtet mit ausgezeichneten Erläuterungen und Filmen. Ich versuchte, am Eingang etwas über die Hintergründe der Ausstellung zu erfahren, aber man entschuldigte sich höflichst, dass der zuständige Kollege erst morgen wieder käme. Ich nahm mir vor, ihn 2 Tage später zu besuchen. Auf der anderen Seite zur Kirche ein agrarbiologisches Institut.
Die Kirche der Benediktinerabtei San Pietro wurde um 1600 ein einem gotischen Stil erbaut und dann im Renaissance Stil umgestaltet. Sie steht auf einem Vorgängerbau, der noch vorne unter dem Altarraum besichtigt werden kann. Ihr Turm ist weithin sichtbar und eine Art Wegweiser schon auf dem Corso Cavour. Am Eingang gibt es drei sehr große Eingangstüren zu den drei Schiffen. Das Hauptschiff war rechts und links von zwei Reihen ionischer Säulen gegen die Seitenschiffe abgegrenzt. An den Seitenwänden der Seitenschiffe und im Hauptschiff sind riesige Gemälde, die den Raum wegen fehlender Fenster recht dunkel erscheinen lassen. An der Decke ist eine reich bemalte Kassettendecke aus Holz. Im Altarbereich war sind sehr schöne bunte Glasfenster sowie ein altes Chorgestühl mit feinsten Schnitzereien. Auch die Sakristei rechts vom Altar ist besichtigungswert. Diese Kirche war wirklich ein toller Höhepunkt dieses Tages. Zurück nach Hause fand ich einen Weg über die Stazione Sant´Anna (Bahnhof einer kleinen Seitenlinie) über die Piazza Partigiani (Busbahnhof) an einem Stadium mit Wettkämpfen vorbei. Wie ich genau nach Hause fand, kann ich nicht mehr rekonstruieren.
10. Oktober 2022 (Montag)
Die Universita per Stranieri di Perugia ist im Palazzo Gallenga untergebracht, einem prächtigen Palast mit 4 Stockwerken nach oben und 2 nach unten. Außen waren Sandsteinmauern. An diesem Nachmittag wollte ich den Palazzo von innen kennenlernen. Nach der ebenerdigen Vorhallte teilt sich der Flur nach rechts und links. Links ist ein Aufzug installiert, rechts gehen die Treppen nach unten und oben ab. Im EG sind alle Räume der Verwaltung vorbehalten. Von außen konnte ich oft erkennen, dass in diesen Räumen wunderbare Bilder hingen. Im 1. OG sah ich drei wunderschöne Räume mit romantisch ausgemalten Motiven und einigen Gemälden an der Wand. Die Räume in den beiden Untergeschossen und in den drei obersten Geschossen waren überwiegend Unterrichts- und Veranstaltungsräume. Der größte Saal war die Sala magna im 2. OG, wo auch mein Vorstellungsgespräch stattfand. Dort sollte gleich eine Vorlesung über Geschichte stattfinden. Ein Dozent/Professor stand wie ein Anfänger vor vielen technischen Problemen und ließ sich zweitweise von drei anderen Herren beraten. Bis er anfing, waren schon 15 Minuten vergangen. Seine Präsentation war so langweilig und redundant, dass ich nach 30 Minuten das Weite suchte. Das wäre in Berlin undenkbar gewesen, dass eine Vorlesung mit 15 Minuten Verspätung angefangen würde, weil der Vortragende nicht mit den Vorbereitungen fertig war. Weiter nach oben werden die Räume immer kleiner. Die Hörsäle der höheren Etagen erschienen wie aus dem vorletzten Jahrhundert und waren deshalb auch wieder interessant.
Vom 4. Stock konnte man auf eine Terrasse ins Freie gelangen, die das gesamte Stockwerk umrundete. Der Ausblick war berauschend. Am meisten beeindruckte mich der Blick auf den Arco Etrusco. Zwei dicke Türme umrahmten das Eingangstor in die Stadt. Auf dem linken Turm war als Aufbau ein kleines Gebäude aus der Renaissance. Allein der Torbogen ist 10 m hoch. Darüber war auch eine Inschrift Augustus Perusia, die auf Kaiser Augustus zurückgeht, der die Stadt 40 v. Chr. belagert und eingenommen hatte. Auf dem rechten Turm war ein Privatgarten. Das wäre was für mich gewesen!
Gegenüber dem Palazzo war eine etwas unübersichtliche Verkehrsstraße, dahinter ein kleiner Park mit Spielplatz und Sitzgelegenheiten. Hier verbrachte ich öfters eine Mittagspause, um mich auszuruhen. Rechts ging es durch den Arco Etrusco steil nach oben in die Stadt, zwischen dem Palazzo und dem Arco Etrusco führte eine Straße entlang der etruskischen/mittelalterlichen Mauer etwas weniger steil nach oben in die Stadt. Das war sicher der schönere Weg mit Sicht über die Dächer in die Ferne. Und wie eine Schnur zog sich das mittelalterliche Viadukt quer durch die Häuser der Altstadt.
12. Oktober 2022 (Mittwoch)
Der Mittwoch war der einzige Tag, an dem die Kurse schon um 12 h aufhörten. Für mich war das die Gelegenheit, das Museum für Weberei zu besichtigen (Museo di Tessitura). Ich machte mich gleich nach dem Unterricht auf den Weg und hatte Erfolg. Das Museum ist in der einschiffigen kleinen Kirche San Franzisco mit kleinem Querschiff eingerichtet. Der heilige San Francesco soll sich in der Vorgängerkirche eine Weile aufgehalten haben. Die jetzige Kirche wurde im 14. Jh. im romanisch-gotischen Stil gebaut. Im zweiten Weltkrieg stand die Kirche leer. Danach hat eine einfache Lehrerin in der Kirche das Webstuhlmuseum eingerichtet, um die Tradition der Weberei aufrecht zu erhalten. Ich wurde im Museum von zwei jungen Frauen sehr herzlich empfangen. Die eine erklärte mir viele Einzelheiten, ohne sich dadurch vom Weben abhalten zu lassen. Es gab etwa 20 Webstühle unterschiedlicher Größe, die Mehrzahl davon mit Jacquard-Technik (Programm, um bestimmte Muster reproduzieren zu können). Der Reichtum des Museums bestand darin, dass eine Vielzahl von Programmen verfügbar war, um unterschiedliche Muster herzustellen. Auch hatten viele Webstühle eine Doppellade, um mit zwei Schiffchen mit unterschiedlichen Farben schneller weben zu können. Die aufgezogenen Ketten waren dichter und feiner als bei meinem Webstuhl. Weiter war sämtliches Zubehör zum Weben vorhanden, wie ich es noch von der Weberei Buchta in Karlsruhe kannte, als ich dort mit 6 Jahren zu weben begann. Ich konnte mich frei im Museum bewegen und jede Menge Fotos machen. Im Museum gab es zwei Schautafeln, eine für die Geschichte der Kirche und die andere über die Einrichtung des Museums. Die Preise für die Webwaren betrugen etwa 250.- Euro pro m2. Für eine größere Tischdecke landete man dann schnell im 4stelligen Bereich.
13. Oktober 2022 (Donnerstag)
Der heutige Tag wurde zu einer kleinen Katastrophe. Am Abend sollte ein Flötist mit einer Pianistin ein Konzert in der Aula magna im Palazzo Gallenga geben. Ich verabredete mich mit Winnie vom Freundeskreis Potsdam-Perugia, um dorthin zu gehen. Nach dem Morgenkurs hatte ich mich erst einmal am Platz vor dem Palazzo Gallenga hingesetzt, etwas den Stoff des Morgens wiederholt und Kindern zugesehen, die Volleyball übten. Um 16.60 h wurde es mir zu kühl und ich ging in den Palazzo Gallenga, um mich nach dem Konzert zu erkundigen, das in gut einer Stunde beginnen sollte. Im Foyer war ein großer Tisch aufgebaut mit vielen Leuten darum. Sie verkauften Karten für ein ganz andere Veranstaltung in der Aula magna. Ich insistierte, dass dort doch das Konzert sei. Nein! Ich ging zum Pförtner. Dieser telefonierte mit zwei anderen Stellen und bestätigte mir, dass heute kein Konzert sei. Enttäuscht ging ich nach Hause und legte mich schlafen. Um 19.30 h rief Winnie an, wo ich sei, er habe das Flötenkonzert (Chaminade Flötenkonzert und Taffanel die Thomas Variationen über Schubert mit Liedern für Mignon nach Goethe) sehr genossen und wir könnten nach dem schönen Konzert noch ein Bier trinken gehen. Oh, wie hatte ich mich geärgert, dass ich das verpasst hatte!
14. Oktober 2022 (Freitag)
Heute war der Tag, an dem sich der Vorstand des Freundeskreises Potsdam-Perugia und einige andere Mitglieder in Perugia treffen wollten. Ich nahm mir an dem heutigen Tag vom Unterricht frei, um mit ihnen zusammen zu sein. Treffpunkt war 10 Uhr vor dem Palazzo dei Priori am Corso Vannucci. Da trudelten sie alle ein, zuerst Bernd Malzanini und Carsten Schöning. Dann kam Winnie Muder, mit dem ich mich sofort über das gestrige Flötenkonzert austauschte. Ich konnte ihm Einzelheiten zu den Mignon-Liedern berichten, die aus Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre stammten. Da erinnerte er sich, dass der Flötist ebendies auch gesagt habe. Er war jedenfalls sehr beeindruckt von der Virtuosität des Flötisten. Neu für mich in der Runde war Dierk (sehr groß, Kardiologe). Dann natürlich Karen und ihr Mann Torsten sowie Daniela Borghesi, die uns öfters begleitete. Im Museo Nationale di Perugia bekamen wir freien Eintritt und eine ausgezeichnete Führung dazu. Für mich war es wieder ein Fall eines vorbildlichen Museums mit viel Licht und mit vielen schriftlichen Erklärungen, so dass man am Ende durchaus mit viel Gewinn das Museum verlassen konnte. Nicht wie in vielen Berliner Museen (vor allem im Humboldt Forum), wo die Beschriftungen minimalst sind und man leicht so dumm wieder hinausgeht, wie man hineingekommen ist. Das Museum von Perugia ist historisch angeordnet und zeigt sehr schön das Wirken einzelner berühmter Künstler im Laufe der Jahrhunderte. Anfangs gab es viele reiche Familien, die sich für die Kunst einsetzten. Jede Familie hatte bei ihrem Domizil einen Turm. Perugia hieß auch deshalb Stadt der 1000 Türme, bis im 14. Jahrhundert der Papst die ganzen Strukturen zerstörte. Damit ging es auch mit der Kunst bergab. Das Museum hatte eine ganze Reihe berühmter Gemälde und nicht umsonst heißt es Nationalmuseum von Umbrien, eine große Auszeichnung. Ich entschloss mich spontan, noch ein zweites Mal dieses Museum zu besuchen.
Nach dem Museumsbesuch gab es im daneben liegenden Palazzo dei Priori einen Empfang durch die Stadträtin für Sport und Handel, Frau Clara Pastorelli, einer sehr forschen jungen Frau, in einem kleineren, aber sehr interessant ausgestalteten Raum bei einem Glas Sekt (die Sala dei Priori war gerade durch eine andere Veranstaltung belegt). Aber wir bekamen auch die Gelegenheit, den Sitzungssaal der Stadtregierung zu besichtigen, ebenfalls ein wunderbarer, alter Saal mit Wandmalereien und Holzmöbeln. Im Anschluss daran gingen wir in die Cucina calda, ein kleines, aber sehr preiswertes Restaurant oberhalb der Kathedrale, im ehemaligen Depotgebäude der Straßenbahn. Man konnte unter zwölf verschiedenen Platten Gemüse, Fleisch, Fisch und/oder Nachtisch auswählen. Ich nahm eine Pasta und gedünstetes Gemüse, eine Flasche Wasser und einen Bratapfel mit Pflaumenmus für 9 Euro. Der Bratapfel mit Pflaumenmus übertraf alle meine Erwartungen. Ich schwärmte so davon, dass fast alle ebenfalls diesen Nachtisch nahmen und ebenfalls begeistert waren.
Der Nachmittag war frei und ich nutzte ihn für zwei Stunden Mittagsschlaf. Abends trafen wir uns wieder um 18 Uhr im Restaurant nebenan an der Piazza Danti zu einem Prosecco und einigen Vorspeisen. Neu hinzugekommen war Christa, eine Bekannte von Carsten, die schon 35 Jahre in Perugia verheiratet ist und mit der ich einen sehr interessanten Austausch über Sprachen hatte. Sie empfahl mir für einen späteren Besuch das Hotel Fortuna in einem alten Palazzo mit tollem Blick auf das davorliegende Tal. Der Inhaber sei ein guter Freund von ihr und habe nur selten und dann meist Gäste von ihr. Dabei war noch ein weiterer Italiener, Luca Gatti, jung, dynamisch und gutaussehend, auch Mitglied unseres Freundeskreises. Er war Italienisch-Lehrer im Fernstudium und sehr berühmt. Immer wieder kamen einzelne Passanten oder manche auch in Gruppen, um ihn zu begrüßen. Er brachte viel gute Stimmung in unsere Gesellschaft. Im Anschluss gingen wir noch in ein anderes Restaurant in der Via dei Priori zum Abendessen. Hunger hatten wir eigentlich nicht mehr so richtig. Wir saßen in einem langgestreckten Raum mit vielen anderen Gästen und die Luft war schon etwas stickig. Ich fürchtete sehr um mein Seelenheil, denn ich wollte mir dort keinen Corona-Virus einfangen. Ich war froh, dass wir um 22 Uhr nach Hause gingen. Ich lief die halbe Strecke mit Karen und Torsten, die in einem Hotel auf halbem Weg zum Bahnhof einquartiert waren. Den Rest musste ich allein gehen, nicht so ganz einfach ohne Karte, bei Nacht, keine Menschenseele auf der Straße. Und diese war ebenfalls abenteuerlich, weil Gehwege teils fehlten und immer wieder Autos in der Dunkelheit von oben herab an mir vorbeibrausten.
15. Oktober 2022 (Samstag)
Heute hatten wir ein Ausflug zu Herrn Mirabella und zu einer Vinery geplant. Wir hatten insgesamt drei Autos und waren zu Acht. Treffpunkt war der Parcheggio Pellini. Heute war ein älterer Italiener mit uns, Giovanni, Pensionär, Freund von Bernd und Carsten, sehr engagiert und Initiator der Partnerschaft Perugia-Potsdam. Winnie und ich durften im Auto von Karen und Torsten mitfahren, wo wir uns bestens unterhielten. Erstes Ziel war der Besuch des Malers Cesare Mirabella in Mocicchio, ein weißhaariger, älterer und sehr bescheiden wirkender Mann. Er lebt mit seiner ebenfalls weißhaarigen Frau in einem kleinen Anwesen eineinhalb Steunden von Perugia mit dem Auto entfernt mitten in der Landschaft. Neben seinem Haus ist noch ein größerer alter Turm mit einem Wohngebäude. Herr Mirabella hatte ein kleines Haus mit 1 Zimmer für sein Atelier. Mit seiner Frau wohnte er in einem anderen Haus daneben, zweistöckig. Wir durften zuerst im Obergeschoss dieses Hauses seine Bilder besichtigen. Es gab im Prinzip drei Motive: Bäume (fast schon etwas abstrakt), Meereslandschaften (helles Grau und Blau in einander übergehend) und Blumen. Man merkte schon, dass seine Motive sehr mit seinen Landschaftseindrücken und seinem Leben verbunden waren. Es war wohl sein Wunsch, ein Bild der Stadt Potsdam zu schenken, das nach kurzer Rücksprache mit unserem Vorstand bald ausgewählt war. Außerdem waren Karen und Thorsten an einigen seiner anderen Bilder interessiert. Anschließend waren wir zu einem kleinen Empfang eingeladen, bei dem seine Frau und seine Tochter (zu Besuch) Snacks (gefüllte Fladen, kleine Pizzas, Kuchen) gebacken hatten und dazu Wein und Saft kredenzten. Dies alles geschah vor dem Haus, von wo aus man einen vollen Blick über das Tal in der Ferne hatte, sowie auf die Städte Foligno und Montefalco. So stelle ich mir das Leben in Italien auf dem Lande vor. Etwas gewöhnungsbedürftig waren die vielleicht 15 Katzen, die uns plötzlich auf dem Vorplatz des Hauses umgaben und auch was haben wollten.
Weiter ging die Fahrt zu der Vinery Carapace di Lunelli, wohin wir etwa eine Stunde unterwegs waren. Das einzig oberirdische Gebäude war die moderne Verkaufshalle, alles andere war unterirdisch. Diese Firma eröffnete erst vor drei Jahren und gehörte einem richtig reichen Mann, der so nebenbei die Firma Ferrari-Sektkellerei aufkaufen konnte. Einige von uns probierten diverse Weine und deckten sich damit auch etwas ein, andere, darunter auch ich, legten uns in die Sonne und unterhielten uns. Dazu gab es Liegestühle und einen beschatteten Platz auf einer größeren Wiese. Um 16 Uhr fuhren wir wieder nach Hause, vorbei an Assisi in einen längeren Stau. Pech!
Um 19.30 Uhr trafen wir uns im Ristorante del Sol mit der „Familia Perugina“, einer Vereinigung, die sich um Kontakte nach Potsdam bemüht, so auch uns. Das Ristorante del Sol liegt an der Endstation Pincetto der Minimetrò. Vor dem Restaurant gibt es eine Aussichtsplattform mit einer überwältigenden Aussicht in das Tal. Beim Restaurant sind alle Wände aus Glas, so dass man auch von innen immer den Blick auf das Tal genießen kann. Bei unserer Ankunft war es aber schon dunkel, so dass wir nur die Lichter von Dörfern und Autos erkennen konnten. Wir waren in der unteren Etage als Gesellschaft weitgehend unter uns, d.h. ca. zehn Deutsche und ca. 20 Perugini, von denen aber nicht unbedingt alle deutsch sprachen. Ich wurde bei meiner Ankunft vom ehemaligen Vorsitzenden der Famiglia, Herrn Franco Mezzanotte, in perfektem Deutsch begrüßt, wirklich beeindruckend! Wir wurden auf mehrere Tische verteilt. Ich war mit Winnie, der nicht oder nur wenig Italienisch sprach, an einem Tisch und er war wohl den ganzen Abend mit seiner rechten Nachbarin sehr intensiv zugange, während ich auf meiner Seite nur italienisch sprechende Perugini hatte, gut für mich, aber auch sehr herausfordernd für eine gute Unterhaltung. Die Atmosphäre war sehr gelöst, aber manche von meinen Tischgenossen vermieden es, wegen Sprachproblemen mit mir zu sprechen. Immerhin war mein Gegenüber, ein Arzt, etwas gesprächig. Schräg gegenüber von mir war eine etwas gealterte Frau wirklich mit viel glitzerndem Lamettta überall, die sich manchmal doch an der Unterhaltung mit mir einklinkte. Unter all den Senioren/innen machte sie mich auf eine junge Frau aufmerksam, die am Ende des Tisches saß und aus St. Petersburg stammte, also Russin war. Sie war zwar keine Putinfreundin, doch verteidigte sie intensiv die Interessen Russlands an der Krim und der Ukraine. Sie bezeichnete viele russisch dominierte Völker in Asien wie z.B. die Mongolen als Teile Russlands und der russischen Kultur. War das ihre Erziehung? Für mich war bis dato Russlands Kultur eher auf den europäischen Teil des großen russischen Reiches gerichtet. Die Italiener an meinem Tisch und ich versuchten sie, mit unseren Vorstellungen in die Enge zu treiben, aber sie blieb bei ihrer Meinung. Das war der unterhaltsamste Teil des Abends für mich. Man muss sich klarmachen, dass das russische Reich einmal aus der Vereinigung von Russland, der Ukraine, Tartaren und dem Belarus gegründet und durch die Vereinnahmung weiterer Staaten erweitert wurde. Auch eine Internetrecherche zu Hause zeigte mir, wie diffus sich der Vielstaat Russland entwickelte und wie viele Bevölkerungsgruppen darin vereinigt sind. Und vor allem, wie viele mongolische Verwaltungsstrukturen bis heute erhalten blieben.
Vor dem Abendessen gab es durch die Vorsitzenden Begrüßungsreden. Der frühere Vorstand, Franco Mezzanotte, begrüßte uns in gutem Deutsch und hieß uns willkommen. Der jetzige Vorsitzende meinte, wir seien zwar Freunde von Perugia, müssten jetzt Perugini werden und zitierte eine längere Passage aus der Carmina burana von Carl Orff. Bernd antwortete charmant und mit wohl erwägten Worten. Das Abendessen bestand aus Primo (überbackener Kartoffelbrei mit Trüffel), Secondo (Spaghetti mit Pilzen), Terzio (Wildschweinbraten, Kartoffeln, gedünstetes Gemüse) und Nachtisch (Semifreddo). Das war für mich eine der tollsten italienischen Mahlzeiten. Man verabschiedete sich mit einem Caffé und ich trat wieder meinen Heimweg mit Karen und Thorsten an.
16. Oktober 2022 (Sonntag)
Die hohe Heeresleitung hatte vorgeschlagen, heute zu dem mittelalterlichen Dorf Bettona zu fahren, was in der jüngsten Ausgabe von der italienischen Zeitschrift „Adesso“ als Geheimtipp besprochen wurde. Wir starteten um 10 Uhr und brauchten eine gute Stunde, um dorthin zu gelangen. Wir parkten an einem kleinen Parkplatz außerhalb der Stadtmauer und liefen gemütlich zur Innenstadt hoch. Es war eigentlich mehr ein Dorf von etwa 500 m Breite und 800 m Länge sowie mit komplett erhaltener, mittelalterlicher Stadtmauer. Innerhalb der Mauern waren wirklich alle Häuser aus dem Mittelalter. Auffallend waren an vielen Fenstern Blumentöpfe in einfachen, handgemachten Aufhängungen. An der Hauptstraße trafen wir noch ein weiteres Ehepaar aus Potsdam, das in den Marken ein Ferienhaus besaß und kurz zu uns gestoßen war, Regina und Wilfried. Außerdem war Iris mit uns, die schon 35 Jahre in Perugia lebte. Ich hatte Bernd schon am Parkplatz angedeutet, dass ich meine Flöte dabeihätte. Wenn es eine Gelegenheit gäbe, würde ich unseren Leuten gerne etwas vorspielen. Auf der Hauptstraße kam mir später Bernd, der vorausgegangen war, freudestrahlend entgegen und meinte, ich könne gleich in der großen Kirche Chiesa Santa Maria am Ende des Gottesdienstes in Aktion treten. Alles klar, ich kam in die Kirche, bekam Anweisungen, wo und wann zu spielen. Als mein Einsatz am Ende des Gottesdienstes kam, begannen die Glocken zu läuten. Ich musste also gegen den Klang der Glocken spielen. Das gelang zwar, aber ein musikalischer Genuss wurde es so für mich weniger. Zumindest die Leute waren begeistert und feierten mein Flötenspiel mit Applaus. Die Kirche war etwas neueren Datums und im barocken Stil. Viel interessanter war eine ganz alte, kleine Kirche daneben, die Chiesa San Francesco, mit zahlreichen Fresken.
Zum Mittagessen gingen wir in das Restaurant Da Damiano, das in einem großen mittelalterlichen Keller war. Das Essen war vorzüglich. Ich aß gekochtes Gemüse und Tagliatelle al bianco. Neben mir saß Iris, mit der ich meine erste Unterhaltung hatte und auf mich sehr angespannt wirkte. Wie ich erst später von ihr erfuhr, war sie über eine Freundin zu unserer Gruppe gestoßen und kannte niemanden von uns. Sie ist Deutschlehrerin. Sie machte mich sehr auf ein Konzert am selben Abend aufmerksam, an dem ein junger Pianist von 19 Jahren, ein ehemaliger Schüler von ihr, ein Konzert gäbe. Im Dorf gab es auch ein kleines Museum. Dort hingen wertvolle Gemälde aus dem 13.-15. Jh. Unter anderem gab es dort auch ein frühes Gemälde von dem in Spanien bekannten El Greco. Weiter gab es viele etruskische Urnen und vieles mehr. Zum Museum musste man in die Kellerräume gehen, die sehr verwinkelt waren. Am Ende waren Iris und ich plötzlich alleine in einem Raum und fanden kaum mehr den Weg nach oben.
Am unteren Straßenende des Dorfes, außerhalb der Stadtmauer, gab es eine Aussichtsplattform, von der aus man einen traumhaften Blick in die Landschaft hatte. In der Ferne konnten wir Montefalco, Assisi und Spello erkennen. Nach einer längeren Pause fuhren wir wieder zurück nach Perugia.
In Perugia trafen wir uns in dem Pallazzo della Penna zum Konzert des jungen Pianisten. Der Palazzo hatte einen schönen Innenhof. Innen drin gab es große Räume, meist mit neoklassizistischen Gemälden an den Wänden und Decken. Im Eingangsbereich gönnten sich manche von uns noch einen Kaffee. Der Pianist war erst 19 Jahre und spielte sehr forsch und fast immer im fortissimo Werke von Bach, Beethoven, Chopin, Liszt, Brahms und Albeniz. Leider war der Raum sehr überakustisch. Es war etwa 50 Zuhörer gekommen. Vor mir saßen zwei kleine Mädchen, die sich gut amüsierten. Iris war sehr an meinem Urteil interessiert, was ich von dem Pianisten hielte. Im Saal hielt ich mich mit meinen Äußerungen sehr zurück. Beim anschließenden Absacker in einer Kneipe konnten die meisten aber bestätigen, dass der Pianist sehr wohl äußerst virtuos spielte, dass aber seinem Spiel doch viel an musikalischem Feingefühl fehlte. Iris meinte, er wolle jetzt nach Deutschland gehen, um seine Ausbildung als Pianist weiterzuführen. Ich äußerte aber auch, dass ihm das differenzierte Spiel sehr fehle und er in seinem Alter kaum mehr die Chance hätte, es unter die besten Pianisten zu schaffen. Um 22.15 Uhr machten wir uns dann auf den Heimweg. Ich verabschiedete mich, denn am Montag wollte ich wieder zum Unterricht gehen und die meisten fuhren an diesem Tag ab.