Von Karen Sokoll

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Anschließend an das freundliche Grußwort unserer Potsdamer Kulturbeigeordneten Noosha Aubel – herzlichen Dank dafür! – habe ich die Freude, ein paar einführende Worte zu dieser Ausstellung aktueller Werke des Künstlers Cesare Mirabella sagen zu dürfen.

Ich darf Sie herzlich im Namen aller, die an der Entstehung dieser kleinen feinen Ausstellung beteiligt sind, zur Eröffnung in der Galerie KunstKontor begrüßen!  Dazu gehören wir, der Verein „Freundeskreis Potsdam-Perugia“. Warum? Das ist einfach erklärt: Mirabella ist ein – oder manche sagen auch „derMaler Umbriens, er lebt und arbeitet im umbrischen Bergdorf Morcicchia nicht weit von der Hauptstadt Umbriens, unserer italienischen Partnerstadt Perugia.

Den Löwenanteil der Organisation, um das aber auch sogleich klarzustellen, hat ein Kreis Potsdamer Freunde des Künstlers als „Amateure“ im besten Wortsinn übernommen –  allen voran Mechthild Flohr und Dr. Ute Herholz, der Bildhauer Franz Weidinger, der Mirabella mit seinen Werken so wohlbehalten hierhergebracht hat, sowie, als Profi in unserer Runde, natürlich unsere Galeristin Friederike Sehmsdorf, die die Idee für diese Ausstellung sogleich aufgenommen und rundherum in exzellenter Professionalität gewirkt hat und deren Geist diese Galerie ja ohnehin atmet. Als ein Ort am Rande der Stadt, inmitten einer prächtigen Kulturlandschaft, die durch die Fenster hereinschaut, bringt dieser Ort Mirabellas Werke perfekt zur Geltung, wie ich finde – herzlichen Dank, dass Ihr diese „Reise des Künstlers“ zu uns nach Potsdam verwirklicht habt!

Der Freundeskreis Potsdam-Perugia wirkt am Eröffnungswochenende mit bei dem kleinen Begegnungsfest mit dem Künstler „Una festa sul lago“, das hier heute und auch morgen zwischen 11 – 17 Uhr, morgen mit italienischer Musik untermalt, stattfinden soll. Wir wünschen uns, dass viele, auch Gäste vom Weinfest nebenan, in die Welt Cesares „hereinschnuppern“ und sich Begegnungen ergeben.

Ein Wort zu uns: Wir begleiten bürgerschaftlich die Städtepartnerschaft, die offiziell von der Stadt Potsdam, vor allem dem Büro der Städtepartnerschaften, sehr engagiert unterstützt wird.  Unsere aktuellen Veranstaltungen und Initiativen zum kulturellen Austausch (fast immer in Kooperation mit öffentlichen Institutionen) können Sie auf unserer Webseite finden, oder Sie tragen sich für den Newsletter dort ein.  Naturgemäß findet in diesem Themenjahr noch ein wenig mehr als sonst statt – z.B. zurzeit eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum.

Im Mittelpunkt steht heute eine konkretere Beziehung: die Verbindung zwischen Cesare und seinen Freundinnen und Freunden hier aus der Region, zu denen wir nun auch alle werden können. Die Städtepartnerschaft zwischen Potsdam und Perugia feiert im kommenden Jahr ihr 30jähriges Bestehen. Noch ein wenig älter ist der Kontakt zwischen Dir, Cesare, und Deinen Potsdamer Freunden, die Dich in Deinem Atelier in Morcicchia, einem winzigen Bergdorf auf einem kleinen Hügel, mit weiten Blicken in die umbrische Landschaft, die dort durch die Fenster in Dein Atelier fallen, kennen gelernt haben, Dich seither dort besuchen, von Dir hier besucht werden, und letzten Winter, als sie vom anstehenden Themenjahr „Italien in Potsdam“ hörten, ihren lang gehegten Traum umsetzten, Cesares Kunst hier im Rahmen einer Ausstellung sichtbar zu machen.

Potsdam und Perugia haben einiges gemeinsam, z.B. die Größe, die Urbanität einer Universitäts- und Wissenschaftsstadt, den Status der Landeshauptstadt. Ebenso lassen sich Parallelen zwischen den Regionen Umbrien und Brandenburg finden: Beide ohne Meereszugang (bei uns nicht so überraschend – für eine italienische Region aber schon: da ist Umbrien die einzige) – aber mit schönen Seen; hängt ihnen beiden ein wenig trotz ihrer Schönheit das Image des Unspektakulären an. Beide Regionen kämpfen, in Fleckchen wie Morcicchia, mit der Entsiedelung, und finden gerade dort auch neue Bewohner, wie Cesare, den es vor Jahrzehnten aus der (auch politisch) bewegten Hauptstadt Rom ausgerechnet in das Bergdorf, die Stille und Einsamkeit gezogen hat (cercavi la solitudine ed il raccoglimento della campagna). Cesare ist aber alles andere als eine der heute wieder modischen – heute im FAZ-Feuilleton beschriebenen – „Stadt-Land-Stadt-Land-Hopper“, sondern, wie man seinen Bildern ansieht, seit Jahrzehnten im Dialog mit „seiner“ Landschaft. Wenn Sie etwa das Bild dort drüben betrachten, kommen die Farben und Stimmungen seiner Heimatlandschaft auf – daher manche Freunde die Natur Umbriens gar nicht mehr ohne ihn und umgekehrt denken möchten.

Das sind aber, so zeigt diese Ausstellung, längst nicht die einzigen Verbindungsebenen. Ich bin keine Kunstexpertin und bitte Sie daher um Nachsicht, wenn ich versuche, andere Ebenen anzudeuten. Schon vom Lebenslauf her ist klar: Mirabella wird schon deshalb kein „gewöhnlicher  Landschaftsmaler“ sein, weil er als zunächst bewusster Städter aufs Land ging, und aus der abstrakten Kunst und intensiven theoretischen Beschäftigung damit erst in die figurative Kunst gewechselt ist, und diese Vergangenheit natürlich auch mitnimmt. Nachdem Mirabella, geboren 1944 in Reggio Calabria, seine Studienjahre in Rom verbracht hat, wo er in den 1970er Jahren sein Kunststudium an der renommierten Accademia di Belle Arti abschließt und u.a. dem Zeitgeist entsprechend in Künstlerkooperativen für eine Verschönerung der urbanen Stadt kämpft – hier noch als Schöpfer abstrakter Kunstwerke –  vollzieht er eine entscheidende Kehrtwendung. Ich zitiere aus dem Katalog zu seiner großen Ausstellung im Museo Nazionale d’ Umbria in Perugia 2008:

„1986 stellt Mirabella in Spoleto mit der Ausstellung „Paesaggi e animali“ der Öffentlichkeit eine radikale Neuorientierung seines künstlerischen Ansatzes vor, den er schon seit längerem vorbereitet hatte: die Hinwendung zu komplexer, Bildraum und Farbstimmung betonender figurativer Malerei, die seitdem als Landschaft, Stillleben, Tier- und Menschenbild (auch von Innenräumen, kann man hinzufügen) – sein großes künstlerisches Lebensthema ist.“

Auch als ungeschulte Betrachterin spüre ich, dass er darin seither über die dann folgenden Jahrzehnte bis heute in unbeirrter Ausdauer und immer wieder neuer „Sehensfreude“ eine Meisterschaft entwickelt hat: Ansichten, Sujets, auf diese raffinierte, durch die Schule und Inspiration von Vorbildern aus der Kunstgeschichte bezogene, aber zugleich ganz einfach zugängliche Art und Weise darzustellen; so dass auch die Betrachterin sie leicht auf sich wirken lassen kann.

Viel gerühmt wird vor allem sein Einsatz der Farben, mit denen er das Licht oder den Nebel einfängt oder auch „materialisiert“. Und es ist das Licht, mit dem Mirabella immer wieder in seinen Werken experimentiert, im Frühjahr und im Winter, am Morgen, am Abend und in der Nacht, im Wald, auf den Feldern und am Horizont über den Hügeln. Farben sind nicht nur das satte „Rot“, „Schwarz“ oder „Blau“, inspiriert von alten wie modernen Meistern, hier vorn zu sehen in einer der Folgen zu Bäumen, mit denen er sich seit vielen Jahren umgibt (Titel immer wieder: „Circondarsi di alberi“), sondern auch die wohl von der Niederländischen Malerei des 19. Jh. inspirierte Palette abgestufter Grautöne, wie sie hinten in einem seiner Scheweninger Meerbilder ausgebreitet wird, oder die dezenten Gelbtöne, die in der Landschaft oder im Himmel, wie auf unserem Bild-Ausschnitt auf dem Flyer, oder als Licht auf den Baumstämmen, auftauchen. Was diese Farben und auch die immer wiederkehrenden Motive etwa der Bäume mir vermitteln, ist eine tiefe Versenkung in das, was er sieht, die zugleich sehr entspannt und unprätentiös wirkt.

Dieser Austausch mit der Umgebung hat zugleich eine philosophische Dimension – über die ich mich nicht versteigen werde zu sprechen. Erkennbar zum Beispiel daran, dass ihn nicht nur die Farbe, sondern immer auch die Form seiner Bilder „umtreibt“ – man nehme etwa die „Veduten“ der runden Landschaftsbilder hier, vielleicht ein Pendant zu seinen Atelierfenstern, die wie eine „camera ottica“, eine Vorform der „camera oscura“ wirken. Inspiriert hat ihn immer wieder auch Goethe – nicht nur seine Farbenlehre. Sie finden hinten links im letzten Raum verspielte Variationen zur „Urpflanze“; andere seiner Bilder zeigen Goethes Gartenhaus an der Ilm oder Impressionen, inspiriert von Goethes Italienischer Reise. Auch Goethe treibt ja die Suche nach dem verborgenen Geheimnis in der Natur um, beschreibt sein Glück, davon etwas zu entdecken, und Kunst als den Versuch, dies präsent zu halten. So beschreibt Goethe zum Beispiel in seiner Italienischen Reise, wie er, von Perugia her nach Assisi reisend, die „Seligkeit“ fühlt, sich von der Kutsche zu entfernen, um allein die überwältigende Ansicht des von Palladio einfach, aber „vollkommen“ in die Landschaft eingefügten Tempels von Assisi zu genießen.

Als wir versuchten, den Titel, den Cesare dieser Ausstellung gegeben hat: „Lo sguardo originario“, ins Deutsche zu übersetzen, fanden wir, dass es im Deutschen zwar solch geballten Begriffe wie „Stimmung“ gibt, die auch Cesare inspirieren; aber für das Adjektiv „originario“ – was natürlich etwas mit Ursprung,  Wurzel, Quelle, dem „Original“, zu tun hat – scheinen wir kein Pendant zu haben. Das Fremdwort „originär“ trifft [die Beziehung zwischen dem Blick des Betrachters und dem, was er sieht und daraus künstlerisch macht, woraus wir als Betrachter des Kunstwerks wiederum etwas machen] [es ja] nicht. Wir wählten schließlich „Der unverstellte Blick“, um zumindest die von Befangenheit befreite Sichtweise auszudrücken, die Mirabella einnimmt. Kein Gehabe, keine modische Zuspitzung oder Übertreibung verfälscht „den Baum“, „das Meer“, „die Wolke“. Als Cesare nun kam und ich ihn fragte, ob es auch einen „tatsächlichen“ Wald gibt, den er da vor Augen hat (ich dachte zum Beispiel an die prächtigen Buchenwälder in seiner Gegend) – antwortete er ratlos (auf die ihm wohl unpassende Frage) „Ich bin diese Bäume“. Er unternimmt es also ebenso, wie etwas Äußerliches darzustellen, Erinnerungen und innere Bilder auszudrücken. Mechthild, bei Dir ist dies so angekommen: „eine Landschaft, in der die Seele spürt, dass sie zu Hause ist“. „Unverstellt“ beschreibt das noch recht unzureichend. Vielleicht finden Sie einen besseren Ausdruck, wenn Sie in Ruhe die Bilder betrachtet haben! Schreiben Sie ihn doch in das Gästebuch! Ansonsten verbleibt es ja jedenfalls beim Original, „originario“, um Mirabellas Blick auf die Dinge zu beschreiben.

Geht es hingegen um den „Garten der Weiblichkeit“, den uns Cesare in strengen geometrischen Formen auch mitgebracht hat, so ist die Dreiecksform natürlich dem ewigen Symbol der Weiblichkeit geschuldet; gewiss wohl auch der Idee, üppige Eindrücke, die miteinander korrespondieren, aber fast zu intensiv zu werden drohen, in kleinen, festen Formen quasi dingfest zu machen. Inspiriert hat Cesare hier Marianne von Werefkin, nicht nur als Mensch [starke Frau; frühe Feministin, Lebensgefährtin Jawlenskys, Inhaberin eines Salons in München vor dem 1. Weltkrieg] mit sehr vielen Künstlern und zum Beispiel mit der Künstlerkolonie Monte Verità in Ascona eng verbunden, sondern auch mit ihrem Werk als expressionistische Malerin. Wilde Experimente – sehr gebändigt in kleinen strengen Formen.

Jede Menge Verbindungen, Beziehungen und Verführungen also – und wenn auch Sie solche in dieser Ausstellung (emp)-finden, dann wäre sie bereits rundum gelungen! Ich danke von Herzen dem Künstler, Dir Cesare, für Deine Reise zu uns,

ti ringrazio molto per la tua visita da noi a Potsdam,

wünsche allen viel Vergnügen, einen schönen Abend, una bella serata insieme, und gebe jetzt an den Künstler selber weiter!

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