Unser Mitglied Kathrin hat in diesem Jahr das Stipendium der Stadt Perugia gewonnen, das ihr einen einmonatigen Sprachkurs an der Università per Stranieri in Perugia ermöglicht hat . Für diese großzügige Möglichkeit ist sie und sind wir als Verein der Stadt Perugia sehr dankbar.

Folgender Text hat uns von ihr erreicht:

Zum Studium an der Università per Stranieri in Perugia

Cari amici,

wenn Euch dieser Brief erreicht, bin ich sicher schon wieder ins herbstliche Potsdam zurückgekehrt. Aber noch bin ich als Stipendiatin an der Università per Stranieri in Perugia und das schöne spätsommerliche Wetter der ersten zwei Wochen lud einerseits zum Herumspazieren ein oder sich den Hausaufgaben zu widmen. Anderseits aber bin ich noch ganz erfüllt von den vielen Eindrücken, die ich nicht verblassen lassen möchte, sondern gern für uns festhalte. So werde ich ein paar Beobachtungen und Impressionen aufschreiben, die ich in meinen vier Wochen vor Ort als bemerkenswert erlebe:

Im Herbst 2023 fand ich in Rom, am Flughafen Fiumicino, ohne Schwierigkeiten zu meiner Haltestelle, denn ein offensichtliches Schild wies klar darauf hin: Aber wir sind in Italien, es fragt doch lieber jeder Fahrgast bei dem einen oder anderen Busfahrer nach, ob es hier auch wirklich nach Perugia/Assisi geht!

Ein Appartamento über den Dächern der Stadt mit Blick auf Assisi und die großartige Kirche San Domenico ist überaus reizend, aber nicht nur für mich, sondern auch für die Turteltäubchen und Katzen, die über den Dächern herumstromern und Abwechslung suchen, indem sie schon mal durch das Badfenster hereinschauen und sich die Nase plattdrücken.

Die altehrwürdige Universita per Stranieri ist für jedermann offen: neben ihren Kursen gibt es regelmäßige Musik- und Filmabende; letztere auch ohne Studentenausweis und „for free“! Ich hatte das Glück, zum 100. Geburtstag von Maria Callas hier zu sein: Es fanden Musikveranstaltungen, Vorträge und die Vorstellung eines neuen Buches von Sandro Allegrini und Angelo Meneghini, einem Neffen der „Primadonna assoluta“, in seiner Anwesenheit statt. Die Musikvorträge der Opera lirica waren exzellent.   

Nun aber ein paar Worte zum Studium:

Erste Lektion: Alle sind herzlich willkommen, in meinem Kurs sind Studenten im Alter von 18 bis 63 Jahren: aus Brasilien, Mexiko, Schweden, Russland, Australien, USA, Deutschland. Jeder bringt seine eigene Motivation und Geschichte mit ein. Meine Lehrer/innen sind supernett, sie machen uns mit ihrem fachlichen, aber auch darstellerischen Können italienische Sprache und Kultur erlebbar. Wir lieben sie alle, freuen uns auf ihre tolle Performance auch in Bezug auf italienische Lebensart: Dazu gehören ein chicer Kleidungsstil und ihre Freundlichkeit zu jedermann (auch wenn Studenten im Laufe des Tages so langsam eintrudeln, werden sie herzlichst begrüßt!). Ihre Fähigkeit, zu einer entspannten, lustvollen Atmosphäre des Lernens beizutragen, ist einfach bemerkenswert. Das heißt aber nicht, dass das Studium easy going/lento, lento wäre…! Meine Stimmung und der Lernerfolg waren sehr wechselhaft. Kaum glaubte ich, etwas verstanden zu haben, schon wurde es wieder komplizierter mit all den Unregelmäßigkeiten und Tücken der Sprache. Unsere Dozentinnen konnten sehr interessante Informationen und Geschichten vermitteln, wobei ich zugegebenermaßen mangels fundierterer Sprachkenntnisse leider noch nicht alles verstehen konnte:

Warum trat Bob Dylan 2023 beim Festival Umbria Jazz ausgerechnet in Perugia auf? Unsere Lehrerin Sabrina Cittadini hatte zu dem Thema „Ehemalige Studenten der Uni“ recherchiert und dabei entdeckt, dass eine junge Amerikanerin und große Liebe von Bob Dylan 1962 für einige Monate in Perugia Italienisch lernte. Als er sie mit Rosen im Arm in ihrer Unterkunft besuchen wollte, war sie leider schon dem Charme eines Italieners verfallen…

Ich hänge noch ein paar Beobachtungen an, die uns Studierenden das Herz öffneten:

Jede Studentin wird im Allgemeinen mit Bella angesprochen, da fühlt man sich gleich schöner! Am Haupteingang zur Uni stehen fast immer (besonders bei schönem Wetter) Seniori, die einen begrüßen, als würde man höchstpersönlich schon gerade erwartet.

Jederzeit kann man einem Bekannten in der Stadt begegnen, das fügt sich ganz schnell. Man verabredet sich auf einen Caffè und bleibt dann gemütlich schon mal drei Stunden zum Plaudern sitzen, auch „ohne etwas zu nehmen“ oder ständig gefragt zu werden.

Der internationale UNI- Chor ist für jedermann offen, v.a. Altstimmen sind sehr nachgefragt! Sogar ohne Notenkenntnis wird man schnell an das Notenblatt zu nichts Geringerem als z.B. Lascia, chio pianga von Händel in Vierstimmigkeit herangeführt. Und es macht wirklich Freude, einfach nur dazuzugehören.

Und hier noch ein paar Empfehlungen, falls Du demnächst nach Perugia reisen möchtest: Versuche Dich zu begrenzen, sonst kann es bei all den Angeboten und wachsender Euphorie schnell zu einem logistischen Problem kommen, da Du so viel mitnehmen möchtest, vom Sortieren all der Fotos ganz zu schweigen.

Reise im Spätsommer oder Herbst und genieße sonnengereifte Früchte und frisches Gemüse vom Markt. Es ist Trüffelzeit und die Zeit der Eurochocolate. Überhaupt, das ganze kulinarische Angebot ist verlockend, oder lass Dich von umbrischer Küche einfach überraschen. Eine Verkostung von frischen und gereiften Olivenölen in der Frantoio BERTI etwas außerhalb vom Zentrum Perugias ist auf jeden Fall empfehlenswert.

Der mittelalterliche Klostergarten im Komplex der Basilika von San Pietro ist ebenso reizvoll. Wir hatten das Glück, vom dafür zuständigen Marco Maovaz geführt zu werden und so konnten wir die Mystik dieses Gartens ein wenig erahnen.

Ein besonderes Erlebnis war der Besuch des Liceo Artistico Bernardino di Betto, an dem jene 20 Schülerinnen und Schüler lernen, die erst kürzlich mit ihren beiden Lehrerinnen zu Gast in Potsdam waren. Die neue Direktorin ermöglichte uns einen Einblick in die verschiedenen Werkstätten: u.a. textiles Design, Architektur, Keramik, Buchrestaurierung etc. So ein staatliches Gymnasium mit künstlerischem Schwerpunkt, das selbstverständlich viele Sponsoren und Förderer benötigt, ist etwas einzigartiges. Die Lehrenden zeigen viel Enthusiasmus und Engagement, was für uns spürbar und in den verschiedenen ausgestellten Kunstobjekten sichtbar wurde: eine Schule der belli arti! Dazu gibt es  all die bedeutenden Galerien und temporären Ausstellungen zu besichtigen und zu bestaunen.

Reise zum Jazzfestival im Juli oder doch besser im September zur Sagra Musicale Umbra oder – ach, alles kann einfach meraviglioso sein, wie ich hier versucht habe, in aller Kürze zu beschreiben. Und auch das Umland von Perugia habe ich noch gar nicht erwähnt: Orvieto mit seinem grandiosen Dom, die Töpferstadt Deruta, Spoleto als das Bayreuth Italiens, Todi als „ideale Stadt“, in der laut Prof. Richard Levine, „Urbanität und unberührte Natur, jahrtausendealte Geschichte und Modernität im Einklang miteinander stehen“, das idyllische Bevagna, natürlich Assisi und noch viel mehr des Schönen.

Saluti da Perugia a Potsdam

Cari saluti a tutti

Kathrin

Brief aus Perugia
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