In unserer Reihe italienischsprachiger Kunstführungen besuchten wir am 28. April 2024 die soeben eröffnete Modigliani-Schau im Museum Barberini. In Kooperation mit der Staatsgalerie Stuttgart zeigt das Barberini eine sehr eindrucksvolle Auswahl von Gemälden Modiglianis, im Dialog mit Werken anderer Künstlerinnen und Künstler seiner Zeit. Seit 1906 in der Kunstmetropole Paris, trat Amedeo Modigliani in intensiven künstlerischen Austausch etwa mit Picasso (der ja zum Beispiel ebenfalls mit Abstraktionen wie denen des Kubismus neue Wege der künstlerischen Darstellung in Zeiten der Fotografie suchte), Munch, Matisse und Chagall (an dessen kalt-blaues Farbspektrum das hier gezeigte berühmte Porträt „Die jüdische Frau“ unter anderem erinnert), Toulouse-Lautrec (mit seiner Begeisterung für Tanz und Theater) oder dem Bildhauer Brancusi (dessen Sammlung afrikanischer Masken ihn ebenfalls sehr inspirierte). Ähnlich wie Rodin, Klimt oder Lehmbruck befasst sich Modigliani auch als Bildhauer vornehmlich mit der Darstellung des menschlichen Körpers, sei es in fließenden Bewegungen oder umgekehrt in ritualisierten, eher starren Posen. Seine Porträts anderer Pariser Künstlerinnen und Künstler sowie der beiden Kunstsammler, die den zu Lebzeiten wenig erfolgreichen Modigliani unterstützten, fangen die Aura der Stadt vor dem ersten Weltkrieg ein.

Auch dieses Mal wieder geführt von der Kunsthistorikerin Valentina Ferrarese, spürten wir auch den älteren Traditionslinien nach, die der aus Livorno stammende Künstler in seiner frühen akademischen Ausbildung in Florenz und Venedig tief verinnerlichte – aus der Kunst der Antike wie der italienischen Renaissance und des Barock; so greift er zum Beispiel die manieristisch verlängerten Körperteile schwanengleicher Madonnen des Parmigianino auf, wie auch dunkle Farben der venezianischen Schule oder die Kontraste des Chiaroscuro.

Titelgebend sind nicht allein die berühmten Blicke der Porträtierten bei Modigliani, sondern ist der Blick des Künstlers selbst, ein im Rückblick visionär früher, teilnehmender Blick für ein neu entstehendes weibliches Selbstverständnis, das er zum Beispiel in Details der Porträts androgyn wirkender Frauenpersönlichkeiten einfängt. („Was ich suche, ist weder Realität noch Irrealität, sondern das Unterbewusstsein, das instinktive Geheimnis des Menschen.“) Jenseits des damals noch vorherrschenden Kunstgeschmacks, der ein überhöhtes, unnatürlich „reines“ Frauenideal zelebrierte und Modiglianis Aktdarstellungen skandalisierte, zeigt Modigliani Frauen – zum Beispiel seine Ehefrau Jeanne Hébuterne, selbst Malerin – selbstbewusst, stark, sensibel und natürlich. Mit so vielen Bildern im Kopf ließen wir den Abend bei einem gemeinsamen Essen im Restaurant El Puerto gesellig ausklingen.

Text: Karen Sokoll

[ngg src=“galleries“ ids=“13″ display=“basic_slideshow“]
„Modigliani. Moderne Blicke“ im Museum Barberini
Markiert in: