Als Herzstück des traditionsreichen Botanischen Gartens der Universität von Perugia befindet sich am südlichen Ausgang der Altstadt, hinter der Kirche San Pietro, ein mittelalterlicher Klostergarten. Am 14. Februar 2024 führte im Großen Hörsaal Botanik in der Maulbeerallee, also gleich neben den Gewächshäusern des Botanischen Gartens der Universität Potsdam, Bernd Malzanini, Vorsitzender des Freundeskreises Potsdam-Perugia, auf Einladung des Freundeskreises des Botanischen Gartens Potsdam in einer sehr kurzweiligen Zeitreise durch diesen besonderen Ort.

Im 16. Jahrhundert von den Benediktinern auf diesem Hügel an der Pilgerstraße Via Francigena angelegt, in späteren Jahrhunderten aber überformt, erzählt der Orto Medievale in christlicher Symbolsprache vom Menschen und seiner Beziehung zu Natur und Göttlichkeit, hält aber auch Überraschungen bereit. In der Mitte des Paradiesgartens (Giardino di Eden) steht der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen im Kreuz von vier Sandwegen, die die das Paradies wässernden Flüsse Pischon, Gihon, Tigris und Euphrat darstellen (vgl. 1. Buch Mose, Vers 2, 8-14). Das Kreuz steht auch für die Auferstehung Christi.  Am Kopf der Ellipse dieses Platzes soll aber auch eine germanische Weltenesche ihren Platz gefunden haben, und kleine Buchsbaumgebilde formen die Tierkreiszeichen. Der Sündenfall vertreibt den Menschen von hier in den Heiligen Wald (bosco sacro, bei Dante auch „selva oscura“, dunkler Wald, genannt). Vorbei an Palme (Vollkommenheit), Zypresse (geistiges Leben), Stechpalme (Schutz vor Versuchungen), Lorbeer (Ruhm), Linde (Urteilskraft), Steineiche (Kraft), Gingko (Jugend), Zeder, Mispel und Weißdorn (zumindest bei Dante auch: vorbei an Versuchungen, in Gestalt von Löwe, Panther und Wölfin) gelangen wir von der Sünde zur Sühne – wo uns ein Wachturm begrüßt, der an alchimistische Experimente und andere wohl nur phantasierte Geschehnisse erinnern soll. Der sich anschließende eigentliche Klostergarten, wieder ganz Hort der Rationalität, umfasst den Hortus Sanitatis ed Holerorum (wo Arzneimittel, etwa für einkehrende Pilger, geerntet wurden), Aromatarium und Pomarium. SI SEDES NON IS – wenn Du sitzt, dann gehst Du nicht – und umgekehrt – verrät uns ein steinernes Palindrom. Ein kleines Theatrum soll dem Unterricht gedient haben. Auf einem Podium öffnet sich schließlich der Blick ins Tibertal bis hinüber zum Apennin. Krumm in die Mauer gewachsen noch eine heidnische Spur: Baum des Magiers Merlin, dem ein Aufklärungsbaum (Albero della Luce e della Scienza) entgegengesetzt wurde. In diesem Geist befindet sich hier eine Kunst-Installation: scheinbar verrostete Räder erinnern an Augenblicke in der Geschichte, in denen das Potenzial des Menschen wirksam wurde, die Erde zum Besseren zu entwickeln oder aber in Katastrophen zu stürzen (vgl. zu dieser Wanderausstellung Il giardino delle rotelle mancanti | Ricca e Spagnoli).

Text: Karen Sokoll

Der mittelalterliche Garten (orto medievale) in Perugia