Beim diesjährigen Lesemarathon wurde aus Giorgio Bassanis Roman „Die Gärten der Finzi-Contini“ vorgelesen. Der Rahmenerzähler wurde dabei von Christian Ballhaus gesprochen, der Ich-Erzähler Giorgio von Mathias Iffert, das Mädchen Micòl von Karen Sokoll und Luisa Pla-Lang vermittelte uns, wie der Text in italienischer Sprache klingt.

Bis auf wenige Plätze waren an diesem Abend alle Sitze im Veranstaltungsraum des Bildungsforums in Potsdam besetzt. Als die Lesung begann, wurde es still im Saal und alle begannen aufmerksam der Geschichte zu folgen. Es ist eine Geschichte, die sowohl von Schilderungen des Lebens von Jüdinnen und Juden in Italien zu Beginn des Zweiten Weltkrieges berichtet, als auch von der aufkeimenden Liebe Giorgios zu Micòl, die aus einer jüdischen Aristokratenfamilie kam. Der Ich-Erzähler blickt darauf zurück, was sich damals schon anbahnte und noch so viel Leid mit sich bringen sollte: die Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden aller Gesellschaftsschichten durch die Rassengesetze, die Deportationen in Konzentrationslager. Inmitten dieser dunklen Zeit empfindet der Protagonist aus bürgerlichen Kreisen eine Liebe zu Micòl, die von ihr nicht erwidert wurde, und von der er sich dennoch nicht losreißen konnte. In der letzten Textstelle, die für den Lesemarathon ausgewählt wurde, spricht der Vater mit seinem Sohn und gibt ihm den Rat, es sein zu lassen. Er vergleicht die zum Erlöschen bestimmte Liebe seines Sohnes mit dem Tod und sagt ihm aus seiner Erfahrung heraus, man müsse im Leben mindestens einmal sterben, und so sei es besser, jung zu sterben.

Die Textstellen gingen nahtlos ineinander über und beim Hineinvertiefen in das Vorgelesene erschien die kurze Pause zwischen dem ersten und zweiten Teil wie ein Moment des Innehaltens, wobei die Geschichte einer unerfüllten Liebe und die aussichtslose Situation der Bevölkerung immer spürbarer wurden.

Die Vorlesenden verstanden es hervorragend, uns an der intensiven Gefühlswelt der Protagonisten teilhaben zu lassen auf dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Veränderungen: Von all den Finzi-Contini findet nur Alberto eine Ruhestätte in der Familiengruft. Keiner weiß, ob all die anderen Mitglieder der Familie, die nach Deutschland deportiert wurden, überhaupt ein Grab gefunden haben.

Nach der Lesung gab es neben den Blumensträußen und Applaus viele Komplimente an die Vorlesenden und die Organisatoren dieses gelungenen Abends.

Die Lesung hatte ihr Ende gefunden, doch wie mir, bleiben die tiefgründig vorgelesenen Gedanken bestimmt noch vielen im Gedächtnis. Im Nachhallen der Worte des Romans und in den Erinnerungen an die Stimmen der Vorlesenden, welche uns in die Geschichte eintauchen ließen.

Text: Sophia Kaiser

Lesemarathon: Giorgio Bassani „Die Gärten der Finzi-Contini“