Schon länger entwickelte sich in einigen Köpfen die Idee, die Städtepartnerschaft zwischen Potsdam und Perugia nach der langen Corona-Zeit wieder mit mehr Leben zu erfüllen. Das heißt beileibe nicht, dass es kein Städtepartnerschaftsleben gab: ganz im Gegenteil! Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens wurden neue Veranstaltungsformate ins Leben gerufen und erfolgreich etabliert. So konnten wir uns über einige Zoom-Veranstaltungen immer wieder mit Gesprächspartnerinnen aus Perugia austauschen.

Aber zu den Erkenntnissen der letzten Jahre gehört auch: In einer zunehmend digitalisierten Welt geht doch nichts über die persönlichen Kontakte!

Gesagt – getan! Ziel war es, den organisatorischen Aufwand und die Kosten so gering wie möglich zu halten, d.h. nach der „Interessensbekundung“ zur Teilnahme haben wir Anreise und Unterkunft untereinander abgesprochen. Und jeder hat das individuell nach seinen Bedürfnissen organisiert. Extra Anreise für diese fünf Tage, oder eingebettet in einen Italienurlaub, mit Anreise per Auto, Nachtzug oder Flug. Mit einigen Partnerinnen und Partnern in Perugia wurde ein Programmgerüst überlegt, in das noch viele Ideen der Teilnehmenden einfließen konnten und das teilweise noch sehr kurzfristig nachjustiert wurde. So waren wir im Kern sieben und zeitweise bis zu zehn Personen aus Potsdam.

Manche von uns hatten schon viele Wochen in Perugia verbracht, andere erst einzelne Tage. Das Altersspektrum reichte von rund 50 bis Anfang 80. Die Kommunikation lief im Wesentlichen auf Italienisch, aber auch die nicht ganz so Sprachkundigen blieben keinesfalls außen vor und wurden von den anderen einbezogen.

Das Programm war so bunt, lebendig und schön wie die Stadt selbst und die Interessen der Teilnehmenden.

Nach der Ankunft am Donnerstag war der Freitag der „offizielle“ Begrüßungstag. Die Stadt lud uns zunächst in die Galleria Nazionale dell‘Umbria ein, die nach vielen Jahren der Sanierung im Juli gerade erst wieder eröffnet wurde. Sie ist im Inneren weiterhin voller Historie, aber zugleich ganz hell und modern gestaltet und ausgestattet mit neuen Mitteln der Museumskommunikation. Eine sehr geglückte Neugestaltung, gerade für diejenigen von uns, die noch den alten Zustand kannten. Und die vielen Erläuterungen und Hintergrundinformationen hielten selbst für profunde Perugiakenner manch Interessantes und Neues bereit.

Die Stadträtin für Sport und Handel (und Städtepartnerschaften), Clara Pastorelli, und ihre Mitarbeiterin Lauretta Vagnetti hießen uns anschließend von städtischer Seite willkommen. Es entwickelte sich ein sehr aufgeschlossenes angeregtes Gespräch mit vielfältigen Themen, von Auswirkungen der Coronazeit bis hin zu möglichen Partnerschaftsprojekten. Es gibt eine ganze Reihe von Ideen, angefangen von gegenseitigen Chorbesuchen bis hin zu Schulpartnerschaften. Aber zur Wahrheit gehört auch: die Kommunen in Italien (wie in Deutschland) müssen in diesen schwierigen Zeiten den Gürtel enger schnallen und es gibt aktuell so gut wie keine finanzielle Unterstützung für solche Projekte.

Unsere Einladung zum gemeinsamen abendlichen Aperitivo an „altbekannte“ Sprachlehrer und andere uns persönlich bekannte Perugini diente auch der Auffrischung von früheren Kontakten und es gab manch fröhliches Wiedersehen nach langer Zeit.

Aperitivo u.a. mit unserem Mitglied Luca Gatti aus Perugia

Zu diesen früheren Kontakten gehört auch der bekannte Maler Cesare Mirabella, den wir am Samstag im etwa 50 km entfernten Morcicchia besuchten. Wir hatten das große Vergnügen, dort in seinen Ateliers sein zu dürfen, seine vielen Bilder zu bewundern und das Ensemble dieses kleinen Dörfchens auf einer Anhöhe genießen zu können. Und als wenn das nicht alles allein schon wunderbar genug gewesen wäre, wurden wir nicht nur zu einem selbst gemachten Mittagsimbiss eingeladen, sondern auch noch mit einem großformatigen Bild von ihm beschenkt. Das war ein ganz außergewöhnliches Erlebnis in einem großartigen Umfeld.

Die Rückfahrt nutzten wir zum Besuch des Weingutes Carapace di Lunelli mit einer ganz futuristischen Architektur.

Der nächste Höhepunkt des Samstages war die Einladung der „Famiglia Perugina“ an uns zu einem wirklich sehr gelungenen Abendessen. Gelungen war dabei nicht nur die Auswahl des Lokales Ristorante del Sole mit einer super Aussicht, hervorragend gelungen waren auch das Essen selbst und vor allem die Gespräche mit den rund 20 Vereinsmitgliedern. Der Verein macht es sich zur Aufgabe, zum Wohle der Zukunft der Stadt zu wirken, sei es durch Belebung von Kultur oder einfach „netzwerken“. Und dort trafen wir wirklich auf viele interessierte, aufgeschlossene und lebenserfahrene Menschen. Allen voran der Präsident Giovanni Brozzetti, der uns schon bei der Vorbereitung wie auch Begleitung dieser Tage maßgeblich unterstützt hatte. Aber es ergaben sich auch neue Kontakte, wie zu Franco Mezzanotte, der uns spontan für den übernächsten Tag zu sich nach Hause einlud und als emeritierter Archäologie-Professor und Spross einer seit 700 Jahren in Perugia ansässigen Familie mit vielen Anekdoten und Detailkenntnissen blendend informierte und unterhielt.

Unser touristischer Sonntagsausflug führte uns nach Bettona, einem kleinen, sehr schönen und alten Ort auf einer Hügelkuppe. Neben fantastischen Ausblicken bleiben das kleine Museum, eine kurzfristige Querflöteneinlage eines unserer Mitglieder in der Sonntagsmesse und eine spontane Führung eines Bewohners in zwei Kirchengebäuden mit sehr interessanten historischen Rückblicken in Erinnerung. Und natürlich das Mittagessen an einer großen italienischen Tafel im historischen Gewölbekeller des Ristorante Da Damiano.

Nach dem Besuch bei Franco Mezzanotte am Montagvormittag haben wir nochmal einige sehr unterschiedliche Stadtviertel Perugias erkundet, wobei die schon fortgeschrittenen Perugiakenner ihr Wissen an die anderen weiter gaben.

Die im zuvor besuchten Museum in Bettona fehlende Büste von Antonio Canova fanden wir dann am Nachmittag in Perugia wieder: In der Ausstellung  „Mostra Al tempo di Canova. Un itinerario umbro“ im Palazzo Baldeschi.

Zum abschließenden Abendessen trafen wir uns mit zum Teil seit Jahrzehnten in Perugia ansässigen Deutsch-Muttersprachlerinnen mit einem sehr interessanten Austausch über ihre Lebenserfahrung dort.

Ja, das waren sehr, sehr dichte Tage voller Eindrücke. Zu diesen Eindrücken gehörten nicht nur die vielen beschriebenen Erlebnisse und Gespräche, sondern auch das Leben in der Stadt. Überall und immer, besonders natürlich abends waren viele Menschen auf den Straßen. Menschen allen Alters, und vor allem viele junge Menschen. Sie waren fröhlich unterwegs und alle hatten sich viel zu erzählen. Und vielleicht gehört auch das zu einer Städtepartnerschaft, dass wir uns von der Herzlichkeit und Offenheit noch eine kleine Scheibe für Potsdam abschneiden sollten… 🙂

Text: Winfried Muder

Zu Besuch bei Freunden
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